Alte Ziegelei Zinndorf
Wann immer ich mit dem Auto – manchmal auch mit dem Fahrrad – an der Kreuzung Zinndorf vorbeigefahren bin, habe ich den Schornstein gesehen und ein paar alte Wagen auf Schienen. Jetzt haben wir uns die Zeit genommen, den Ort genauer zu erkunden. Interessanterweise haben wir festgestellt, das der alte Schornstein zu einer alten Ziegelei gehört und die Wagen auf den Schienen zu einer Gleisanlage. Mithilfe der Anlage wurde dabei Ton aus der nahegelegenen Tongrube zur Tonschneiderei transportiert. Von der ist heute allerdings nichts mehr zu sehen, sie befand sich auf der östlichen Straßenseite, wo heute die Wochenendsiedlung „Am Karpfenteich“ ist. Insgesamt gehörten also drei Anlagen direkt zu den heutigen Überresten: die Tongrube, die Tonschneiderei und die heute noch erkennbare Ziegelei. Die Tongrube und die Tonschneiderei waren dabei zuerst mit Pferdefuhrwerken verbunden und später durch eine Stahlseilbahn.
Geschichte der Ziegelei
Die Geschichte der Ziegelei und ihrer Anlagen begann vor über 100 Jahren. Die ersten Ziegel wurden dort bereits 1910 hergestellt. Als jedoch der Eigentümer Max Schäfer 1934 verstarb, war weder seine Witwe noch deren neuer Ehemann in der Lage, die Ziegelei erfolgreich weiterzuführen. Nur vier Jahre später, 1938, hatten beide ihre Unfähigkeit so sehr unter Beweis gestellt, dass der ehemalige Büroangestellte Alfred Albrecht die Ziegelei aufkaufen konnte. Ob die Einstellung der Ziegelproduktion 1941 dann ein Zeichen für ebenso große Unfähigkeit war, ist jetzt noch nicht eindeutig. Immerhin hatte der neue Eigentümer schon ein Jahr nach der Übernahme ordentlich Pech, die Tongrube wurde aus ungeklärter Ursache überflutet und deren komplette Ausstattung inklusive der teuren Dieselloks und der Pumpen versank im Schlamm. Immerhin konnten die bei der Notreparatur verunglückten Arbeiter gerettet werden. Mitten im Krieg musste die Produktion, wie zuvor erwähnt, völlig eingestellt werden, kriegswichtig waren die Ziegel wohl nicht.
Im letzten Kriegsjahr wurde die Ziegelei selbst immerhin noch einmal wichtig – als Lagerstätte der ‚Organisation Todt‘. Diese Organisation war für fast alle Bauprojekte im Dritten Reich verantwortlich und damit auch für den Tod zahlloser Zwangsarbeiter. Mehr dazu findet ihr hier. Nach dem Krieg versuchte Albrecht den Betrieb weiterzuführen, musste 1956 dann aber aufgeben. 1958 unternahm er den dritten Anlauf, aber nur zwei Jahre später wurde das Konkursverfahren eröffnet. Daraufhin wurde die Ziegelei endgültig geschlossen, Albrecht verließ die DDR und sein Vermögen wurde beschlagnahmt.
1999 wurde Albrechts Erbin die Ziegelei als Erbe zugesprochen, nachdem die Treuhand keinen Käufer gefunden hatte. Seit 2005 ist das Gelände im Besitz der Stadt Hamburg, da Frau Albrecht keine Erben hinterließ. Seit der Stilllegung des Betriebs wurden allerdings keinerlei Maßnahmen zum Erhalt der Gebäude unternommen. Bäume wuchsen bis dicht an die Ziegelei heran und teilweise auch aus ihr heraus und der obere Teil des Schornsteins brach zusammen. Das Innere der Ziegelei erinnerte an eine Müllkippe und das Dach eingestürzt.
Restaurierung und Nutzung
Seit dem Jahr 2000 gab es Überlegungen, wie man das Gelände nutzen könnte. Gewünscht war eine Nutzung für den Artenschutz, die Gemeinde konnte die dafür notwendigen Maßnahmen aber nicht allein finanzieren. Gelöst wurde dies, als Windkraftanlagen auf Gemeindegebiet gebaut werden sollten. Das Bauunternehmen verpflichtete sich im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmen zur Förderung der Pläne. Aber welche Arten wollte die Gemeinde mit einer baufälligen Ziegelei und einem noch baufälligeren Schornstein den schützen? Nun, ausgerechnet Fledermäuse hatten sich bereits spätestens 1980 in der Ruine angesiedelt. Ihr Quartier sollte winterfest werden und vor Regenschäden geschützt werden. Dank der freiwilligen Unterstützung vieler Helfer konnten die Bäume gerodet werden, die die Struktur des Gebäudes massiv bedrohten. Allein aus dem Gebäude selbst wuchsen mittlerweile 30 Bäume, alle wurden entfernt. Das Gelände wurde geräumt und gereinigt, das Dach wiederhergestellt und der Schornstein gesichert und abgedeckt.
Insgesamt fünf unterschiedliche Fledermausarten wohnen derzeit in der Alten Ziegelei: Fransenfledermäuse, Braune Langohren, Wasserfledermäuse, Mausohren und Mopsfledermäuse. Alle in Deutschland heimischen Arten sind vom Aussterben bedroht und werden daher besonders geschützt. Was mir bei den durchgeführten Maßnahmen am meisten gefällt, ist dass sie nachweislich erfolgreich waren. Denn vor der Wiederherstellung der Ziegelei gab es dort deutlich weniger Fledermäuse und nur zwei Arten. Die Unterkunft wird also gut angenommen.
Wer die Ziegelei und die Loren erkunden möchte, kann das bequem per Fahrrad oder auch zu Fuß machen. Direkt an der Ziegelei hat die Gemeinde einen Rastplatz eingerichtet, sodass dort eine Pause eingelegt werden kann und sowohl die Ziegelei als auch die reparierten Loren und ein Schornsteinring können besichtigt werden. Nur in die Ziegelei darf man natürlich nicht, die Fledermäuse mögen keine Besucht und das kann ich ihnen nicht verdenken. Ich hätte ja auch keine Lust, dass ständig fremde Menschen vorbeikommen und sich ungefragt mein Zuhause ansehen.