Fast jedem, der mit der S5 oder der NEB aus Strausberg Richtung Berlin fährt, wird das Gelände schon aufgefallen sein. Zwischen dem Bahnhof Fredersdorf und dem Berliner Ring trennen sich die Gleise der S-Bahn und der Regionalbahn und lassen in ihrer Mitte genug Platz für überwachsene Gleise, verfallene Gebäude und Müll. Die Geschichte dieses Ortes beginnt vor über 130 Jahren, um genau zu sein 1895 und ist eng mit der Entwicklung des Eisenbahnnetzes in der Region und dem Wachstum der Stadt Fredersdorf als Verkehrsknotenpunkt verbunden. Damals wurde der Bahnhof als Wartungs- und Abstelldepot für Dampflokomotiven eingerichtet. Er lag strategisch günstig an der Haupteisenbahnstrecke zwischen Berlin und Frankfurt (Oder) und war damit ein wichtiger Haltepunkt für den Güter- und Personenverkehr. Im Laufe der Jahre wurde der Bahnhof durch den Bau weiterer Gleise, Gebäude und Einrichtungen erweitert, um der wachsenden Nachfrage nach Bahndienstleistungen gerecht zu werden.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielte der Bahnhof eine Schlüsselrolle für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Region. Er bot den Bewohnern der Region Beschäftigungsmöglichkeiten und erleichterte den Transport von Waren und Personen, indem er die Stadt Fredersdorf mit anderen Teilen Deutschlands und darüber hinaus verband.
Geschichte des Hilfsrangierbahnhofes
In den 1920er und 1930er-Jahren wurde der Bahnhof durch die Einführung neuer Technologien und Ausrüstungen wie elektrische Beleuchtung, Kräne und Drehscheiben erheblich modernisiert. Ende der 1930er-Jahre war der Bahnhof zu einer der größten und modernsten Bahnanlagen in der Region geworden und diente sowohl militärischen als auch zivilen Zwecken.
Während des Zweiten Weltkriegs spielte der Bahnhof eine entscheidende Rolle für den Transport von Truppen und Nachschub für das deutsche Militär. Allerdings wurde er auch zum Ziel alliierter Bombenangriffe, die den Bahnhof und seine Umgebung stark beschädigten. Trotzdem blieb der Bahnhof bis zum Ende des Krieges in Betrieb, als er von den sowjetischen Streitkräften übernommen wurde.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Teilung Deutschlands lag der Hilfs-Rangierbahnhof Fredersdorf in der Sowjetischen Besatzungszone, die später Teil der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wurde, auch bekannt als Ostdeutschland. Unter sowjetischer Besatzung wurde der Bahnhof weiterhin für militärische und zivile Transportzwecke genutzt. In den ersten Jahren der DDR wurde er repariert und wieder aufgebaut, wobei einige der beschädigten Gebäude und Einrichtungen wiederhergestellt wurden. In den 1950er und 1960er-Jahren spielte der Bahnhof eine wichtige Rolle in der Verkehrsinfrastruktur der DDR. Er diente der Wartung und Abstellung von Diesellokomotiven und war ein wichtiger Knotenpunkt für den Schienengüter- und -personenverkehr in der Region. In den 1970er und 1980er-Jahren wurde der Bahnhof weiter modernisiert und durch neue Gebäude und Anlagen erweitert. In seiner Blütezeit beschäftigte der Bahnhof mehrere Hundert Mitarbeiter und verfügte über eine Kapazität von mehr als 100 Lokomotiven.
Mit dem Niedergang der DDR-Wirtschaft und der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 begann die Bedeutung des Bahnhofs jedoch zu schwinden. Viele der Lokomotiven wurden in andere Anlagen überführt oder verschrottet, und der Bahnhof wurde schrittweise stillgelegt.
Und heute?
In den Jahren nach der Wiedervereinigung wurde der Bahnhof aufgegeben und verfiel. Viele der Gebäude und Strukturen haben durch jahrelange Vernachlässigung und Witterungsschäden gelitten, und einige sind eingestürzt oder nicht mehr sicher zu betreten. Die Gleise und die Drehscheibe sind von Vegetation und Schutt überwuchert, und ein Großteil der Ausrüstung ist entfernt oder zerstört worden.
Ein Rundgang über das Gelände startet beim einzigen Bahnübergang. Von hier aus ist erst einmal nicht viel zu sehen. Ein weitestgehend zerstörter Schaltkasten, überwucherte Gleisanlagen und die Überreste einer alten Betonstraße. Wer sich Richtung Osten wendet, kann schnell erkennen, dass die Gleise zu einem großen Teil abmontiert und abtransportiert wurden, übrig sind meist nur noch Bahnschwellen und jede Menge Gleisschotter. Aber auch eine Entladerampe findet sich hier, der Kran allerdings nicht mehr. Auf seinem Fundament sind noch die Befestigungen zu sehen und auch, dass sich nicht die Mühe gemacht wurde, ihn sorgfältig abzumontieren, um ihn weiterverwenden zu können. Er wurde einfach abgeflext, was aus dem Kran wurde, ist nicht bekannt. Von den Baracken und der Werkstatt, die hier 1967 und 1982 noch verzeichnet sind, gibt es keine Spuren mehr.
Wer vom Übergang aus das Gelände nach Norden erkundet, findet als Erstes ein Gebäude, das auf keinem der alten Pläne verzeichnet ist. In den Hang hineingebaut, erinnert das Gebäude an einen kleinen Bunker, gibt aber sonst keine Aufschlüsse für seine frühere Verwendung. Der Eingang ist zugemauert und das einzige Fenster mit einer Metallplatte fest verschlossen. Nur wenige Meter weiter wartet das nächste Gebäude. Dieses Mal sind die Eingänge nicht verschlossen und genau wie der Bunker dienen die Wände als Leinwand für Graffiti. Der Innenraum ist dagegen nur spärlich besprüht, statt dessen sind die verbliebenen Installationen und Gegenstände weitestgehend zerstört. Die Rückseite verfügt über einen weiteren Eingang, der in einen separaten Raum führt. Hier führen Schienen hinein, die aber deutlich schmaler als die restlichen Bahnschienen.
Richtung Westen gibt es noch die meisten Bereiche zu erkunden. Neben einem kleinen Schuppen, dessen Ziegelwände teilweise eingeschlagen wurden, findet sich auch ein größeres Gebäude mit einer Laderampe. Der Schuppen ist bis auf Müll leer, das Gebäude an der Rampe ist dagegen überwiegend verschlossen. Die Eingangstüren sind zugeschweißt, allerdings wurde ein Kellerzugang aufgebrochen. Nicht weit entfernt findet sich eine Lagerhalle, deren Dach und Seitenwände nur noch durch den Rahmen erkennbar sind, ansonsten steht dort nur noch die flache Ummauerung. Hier haben sich Besucher eingerichtet und eine Ecke notdürftig vor Wind und Regen geschützt. Überreste einer Feuerstelle sind ebenso vorhanden wie Sitzgelegenheiten und ein Tisch. Für gutes Wetter befindet sich ein weiterer Platz auf der Wiese. Der Tisch und die Stühle haben das Wetter jedoch deutlich schlechter überstanden, als die von Hand angelegte Feuerstelle, die von Steinen umrahmt ist.
Überall auf dem Gelände sind weitere kleine Erinnerungen an die ehemalige Nutzung als Hilfsrangierwerk verblieben. Die Stromkästen sind fast vollständig zerstört und die Einzelteile der abgebauten Laternen, wurden in der Gegend verteilt. Ein einsamer Hydrant steht in der Wiese und teilt sich seinen Platz mit einem Baum, er um ihn herum gewachsen ist und einen Teil der alten Hydrantenfarbe aufgenommen hat.
Gibt es Pläne für eine weitere Nutzung?
Es gibt Bemühungen, einige Teile des Geländes zu erhalten und zu restaurieren. Einige der verbliebenen Gebäude wurden gesichert und stabilisiert, und es wurde versucht, das Gelände zu räumen und Schutt zu entfernen. In den vergangenen Jahren hat sich das Gelände zu einem beliebten Ziel für Eisenbahnfreunde und Fotografen entwickelt, die die verbliebenen Gebäude und Anlagen erkunden und den historischen Charme des Geländes festhalten wollen. Besucher müssen jedoch vorsichtig sein und den fragilen Zustand der Anlage sowie mögliche Sicherheitsrisiken berücksichtigen.
Zukünftige Pläne für den Standort hängen jedoch wahrscheinlich von der Verfügbarkeit von Finanzmitteln und der Unterstützung durch lokale Behörden und Denkmalschutzgruppen ab. Die Lage und der Zustand des Geländes dürften angesichts der abgelegenen Lage und des Ausmaßes der Schäden an den Gebäuden und Anlagen auch eine Herausforderung für eine Restaurierung und Sanierung darstellen.
Im Jahr 2015 entschied die Deutsche Bahn sich, die Ausgleichsflächen für die geplante gewerbliche Entwicklung des ehemaligen Rangier- und Betriebsbahnhof Schöneweide in Fredersdorf zur Verfügung zu stellen. So wurde 2016 beschlossen, Zauneidechsen umzusiedeln, um diesen gewerblich entwickeln zu können. Das dürfte weitere Pläne für den Rangierbahnhof stark einschränken, da die jetzt dort lebenden geschützten Tiere erst erneut umgesiedelt werden müssten.
Eine Antwort
Hallo Astrid, im Rahmen einer Recherche zu einer Wanderung bei Komoot (Wanderportal) bin ich auf Deinen Blog gestoßen. Als jahrelanger Nutzer der S5 zwischen Strausberg und Berlin kannte ich nicht nur den Rangierbahnhof sondern wusste auch, dass es dort einen Haltepunkt gegeben haben muss. Diesen habe ich gestern im Rahmen einer kleinen Rundtour vom S-Bhf. Fredersdorf aus besichtigt und konnte im Nachgang vieles entsprechend ein- und zuordnen. Vielen Dank also für Deinen Bericht zum Hilfsrangierbahnhof Fredersdorf.
Ich beabsichtige des Weiteren, auch mal eine Tour über das Gelände des Rangierbahnhofes zu machen. Meine Frage: Ist das Gelände vom Waldweg im Süden frei zugänglich. Gibt es dort einen Wachschutz o.ä.? Über eine kurze Antwort würde ich mich freuen.
Mach weiter, Deine Seite ist bei mir jedenfalls als Lesezeichen abgespeichert. MfG. Mathias
Nachtrag: Falls Du Interesse an der Tour auf Komoot hast, folge einfach diesm Link: https://www.komoot.de/tour/1426347599
Unter meinem Profil Mathias57 findest Du dort auch die eine oder andere Lost-Place-Tour (bei Touren -> Suche nach -> einfach „Lost Place“ eingeben).
Vielleicht noch ein Hinweis. Die schwarzgraue Schrift auf dem grünen Untergrund ist sehr schwer zu erkennen. Hätte beinahe die *-Felder übersehen.